Zu den Ereignissen des Tsunamis im Dezember 2004 in Asien
Fünf Monate ist es her. Was? Beiläufig können wir davon noch etwas aufschnappen in den hiesigen Medien, verfolgen in einer Sendung: »Was war geschehen?« Immer wieder können wir die Bilder komprimiert erleben, wenig aussagend und meinungsbildend, actiongeladene Filmszenen von absaufenden Kindern, von Flutwellen gesprengte Häuser. Hinterbliebene, deren Leben nie mehr so sein wird wie vorher. Momente werden geschleudert in die Welt, gleich der Welle vor Phuket. Gespickt mit Talkshows, in denen alte oder senile Experten sitzen, die schon immer alles gewusst haben und sowieso besser gemacht hätten. Staatsoberhäupter dazu feiern sich gegenseitig stehend in Gummistiefeln an verdreckten, einstigen Urlaubsstränden und geben sich allabendlich die Klinken in die Hände beim Festschmaus.
Große Hilfsorganisationen stellen ihre Werbespots ein und warnen öffentlich davor, eigenmächtig zu helfen. Es käme doch den »Falschen« zu Gute. Hotelmanager aus den betroffenen Ländern tönen, noch schöner, noch besser sind unsere Anlagen und Vergnügungstempel jetzt. Kommt es den »Falschen« zu Gute? Vielleicht. Bald werden die ohnehin wenig betroffenen Gebäude noch schöner leuchten, die Anzüge deren Besitzer noch feiner geschnitten sein. Auf das der Kontrast von hübsch und hässlich, alt und neu noch deutlicher dem Betrachter ins Auge sticht. Bald werden die Händler die Preise der Waren erhöhen, auf ihren Klapptischen, irgendwo an den Rändern der Straßen, den Zugängen zu den Stränden, begründet mit den Worten: »Die Flut, helfen Sie uns!«
Doch wehe dem, es wagt irgendjemand, selbst an eine ihm befreundete Familie Geld zu überweisen, dann bittet ihn sein Kreditinstitut mit 20 € für eine Auslandsüberweisung zur Kasse. Alle trauern, auch Deutschland, öffentlich und medienwirksam, wie nie zuvor. Da hat sich ein gewaltiges Erklärt-uns-die-Tsunami-Trauermanagement entwickelt. Da kommt mir doch manches befremdlich vor, meine Mitmenschen erschienen mir doch in den letzten Jahren gar nicht so mitfühlend. Hat doch keiner öffentlich getrauert, als 210.000 Soldaten im Golfkrieg fielen, als Millionen Afrikaner in Ruanda verstümmelt, gar erschlagen wurden. Nüchtern betrachtet hat sich, gemessen an der Zahl der Toten, selbst am Indischen Ozean schon Schlimmeres ereignet. In Bangladesch kamen 1999 bei einer Sturmflut 140.000 Menschen ums Leben. 1970 gab es nach einem Zyklon im Golf von Bengalen 250.000 Opfer. Oh ja, das ist alles so weit weg und geht uns nichts an, sagen viele. An der Zeit wäre es, den Schrecken beim Schopf zu packen und wirklich einmal nachzudenken. Oder müssten wir uns dadurch zwingen, unsere überaus konsumorientierte Lebensweise aufzugeben?
Stattdessen, eine andere Flut wird kommen. Kredithaie laufen zu Höchstleistungen auf, überschwemmen fremde Länder wie eine biblische Heuschreckenplage. Menschen, denen die dort lebenden Menschen gleichgültig sind, werden von Käufern und Marktanteilgewinnung sprechen, während Plastik und Dosenmüllverpackungen die Ufer der Flüsse bevölkern. Aber bitte, was soll man da unternehmen, gegen 30 Millionen Kinder jährlich, die mit ihren aufgeblähten Bäuchen verhungern, gegen viele Millionen Kinder, die tot geboren werden, gegen 12 Millionen amerikanische Familien, die nicht wissen, wovon sie ihre nächste Mahlzeit bezahlen sollen [Food Research: www.frac.org, amerikanisches Landwirtschafsministerium].
Aber klar, wir beuten Kinder zur Arbeit an westlichen Nobelmarken aus und verpflichten Entwicklungsstaaten mit Joint Venture in Knebelverträgen, wie Vietnam, die all ihr förderndes Erdöl nach Amerika liefern müssen, um dann beim Benzinimport bevorzugt behandelt zu werden. Auf in die Abhängigkeit, den neuen Kolonialismus.
Natürlich, ich habe auch keine fertigen Lösungen parat. Entschuldigt, verzeiht, wenn wir nicht alles druckten, viel redigierten. Was weiß ich schon von Thailand, Indien oder Sri Lanka und Indonesien. Als mich Norbert Lüdtke (Anmerkung: Norbert Lüdtke ist Vorsitzender der Deutschen Zentrale für Globetrotter e.V.) das erste Mal zu diesem Thema aufforderte, habe ich abgelehnt, schlicht, mit den Worten: ich besitze keine Kenntnisse. Eine Ahnung habe ich noch immer nicht. Nur eines: Ich habe nichts zu fordern, nur zu bitten, wenn wir klar erkennen, so wie wir Schwarz und Weiß unterscheiden, dass du und ich verantwortlich für unsere Welt sind, dann werden wir richtig handeln. »Un homme heureux est trop content de la présence pour penser beaucoup à l’avenier.« (Albert Einstein, 1896)
Danken wir in diesem Moment all den Menschen, die Projekte unterstützen, mit denen sie schon immer glücklich sind, denen sie weiterhin die Treue halten, wenn die Scheinwerfer erloschen, die Kameras längst abgeschaltet und der Regiesessel verwaist ist. Danken wir dem Lächeln eines Kindes, dem ehrlichsten Lächeln der Welt.
Eine Moral von Jan Balster (Juli 2005 – Trotter, Heft 114)
Was solltest Du wissen, wenn Du helfen willst?
- Welche Vorstellung habe ich von einer Hilfe?
- Wie lange möchte ich an einem Projekt oder ähnlichem mitarbeiten?
- Welche Voraussetzungen werden von der Organisation meiner Wahl gefordert?
- Habe ich genügend Berufserfahrung? (meistens Pflicht)
- Welche berufliche Qualifikation habe ich? (Fachleute sind gefragt, einfache Arbeitskräfte gibt es in den Einsatzgebieten immer)
- Werde ich bei der Hilfsorganisation finanziell mit eingebunden?
- Bin ich auf einen Verdienst angewiesen?
- Spreche ich fließend Englisch und/oder die Muttersprache meines Einsatzlandes?
- Kann ich für den Einsatzzeitraum meine Interessen in den Hintergrund stellen?
- Bin ich gesund? (Bin ich für spezielle Klimate geeignet?)
- Kann ich mich schnell und leicht auf andere Menschen einstellen?
- Komme ich mit anderen Mentalitäten gut aus?
- Kann ich mit anderen Menschen zusammen arbeiten?
- Komme ich mit schwierigen Situationen zurecht?
- Brauche ich Komfort?
Zwei Fragen, die nicht zu unterschätzen sind:
- Will ich einer unliebsamen Situation im Heimatland entfliehen?
- Kann ich diesen Einsatz mit meiner Familie oder meinen Freunden und Bekannten vereinbaren?