Die Toleranz ist schuld

Flüchtlinge aus dem Balkan


Übersicht


Jugoslawien, Kosovo, Europa, Balkan

Legen wir hierzu, weil uns diese Region näher und scheinbar vertrauter ist, unser Augenmerk stellvertretend für alle anderen Flüchtlingsgebiete auf den Balkan, genauer auf das ehemalige Jugoslawien und Albanien. Fast jeder hat die Bilder der größten Flüchtlingstrecks und Routen im Kopf. Die Menschen drängen nach Mittel- und Nordeuropa. Die Sachlage ist also für einen Mitteleuropäer leichter zu begreifen. Hauptsächlich ist die Armut der Menschen aus den Zerfallsstaaten des einstigen Tito-Staates[21] Jugoslawien und Albanien der Grund zur Flucht. Es ist das Ergebnis der westeuropäischen Politik, zunächst unter Anleitung der NATO, hier besonders der USA, heute der europäischen Führungseliten. Erstens wollten sie keinen sozialistischen Staat, schon gar nicht so einen großen, zweitens keinen in solch einer guten politischen und ökonomischen Verfassung und drittens passte Jugoslawien in Anbetracht seiner geostrategischen Lage ganz und gar nicht in das aufstrebende EU-Projekt. Zum Anlass des Einmischens des Westens kam die Beschwerde separatistischer Nationalisten, die sich von der jugoslawischen Regierung materiell nie genug berücksichtigt fanden, gerade recht, um Einzelstaatsgründungen auf dem Westbalkan voranzutreiben. Das Ziel war, einen neuen Binnenmarkt, zudem von beachtlicher Größe, zu erschließen, die Leitwährung Dollar weiteren Weltregionen aufzulegen. Alles unter dem simplen Vorwand, die Menschen vom »Joch der Sowjetunion« zu befreien. Ein Schuldiger war schnell gefunden: Serbien, welches die Gebietsansprüche am Kosovo nicht aufgeben wollte. Es folgte die Kriegserklärung der NATO, die sich großkotzig mit der US-Luftwaffe präsentierte.

Nach der militärischen Befreiung (die amerikanischen Rüstungskonzerne haben beachtlich verdient) folgte die friedliche Annexion der Europäischen Union. Hierzu wurden die vorgefundenen Wirtschaftsgüter auf ihre Tauglichkeit für europäisches Kapital geprüft. Ganz konkret, bei Unattraktiven überließ man den Arbeiterselbstverwaltungen in den jugoslawischen Betrieben die Abwicklung der Arbeitskräfte. Hingegen sich bei produktiven Unternehmen die europäischen Wirtschaftsbosse als Heilbringer aufopferten. Das Ergebnis dieser Machenschaften zeigte sich schnell, die Arbeitslosenquote stieg rapid auf 40 Prozent innerhalb eines Jahres an. Für die einheimische Bevölkerung stand auch hier der Schlechte, die Leute aus den ehemaligen Arbeiterselbstverwaltungen und der Gute,die EU mit ihren Wirtschaftsbossen und ihrem amerikanischen Dollar, fest. Die Folgen spüren wir jetzt. Die EU hat einfach übersehen, dass es vor Ort zu viele Menschen gibt, welche auf Lohn angewiesen sind. Vergessen wurde einfach, dass ein neuer Absatzmarkt, neue Konsumenten benötigt und dass ein Konsument nur ein solcher sein kann, wenn er Geld verdient. Kann er nicht genügend verdienen, sucht er sich einen andern Lebensfleck, wo er es zumindest theoretisch könnte. Zynisch müsste man behaupten, hat nicht die deutsche Politik immer gefordert, besonders von den in Deutschland lebenden Arbeitslosen, die Menschen müssen flexibler in der Region der Arbeitssuche werden. Nun bitte Herr Ingo Kramer, als Vertreter der Unternehmerschaft, hier haben Sie ihre Arbeitskräfte. Er darf sicher sein, dass Zöllner, Polizei und Behörden die Flüchtlinge katalogmäßig korrekt erfassen und diese von Sprachlehrern zu Deutsch sprechenden Billiglöhnern  ausgebildet werden. Der Staatsapparat arbeitet, ohne dass es dem einzelnen Staatsdiener selbst bewusst ist, am Limit für dieses Ziel. (Ihren Stundenlohn zahlen nicht die Konzerne, sondern er wird aus der Staatskasse – mit Steuereinnahmen der allgemeinen Bevölkerung – bezahlt)


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Zwischenzeitlich ist für die ehemaligen Jugoslawen und Albaner die Ernüchterung gekommen. Die Länder Serbien, Mazedonien, Montenegro, Albanien, Bosnien-Herzegowina und der Kosovo stehen auf der Liste der sicheren Herkunftsländer. Das bedeutet, die Anerkennung der Menschen auf Asyl gehen gegen Null. Seit Anfang 2015 werden alle Flüchtlinge aus den eben benannten Staaten in ihre jeweiligen Heimatländer zurück geschickt. Als Lohn für de. ahrelangen Dienst im Sinne der EU wird eben diesen Menschen ein EU-Beitritt in Aussicht gestellt.

CDU und SPD sprechen von einem »Dauerproblem«

Um das Thema Flüchtlingspolitik in den Griff zu bekommen, betont die Regierungskoalition aus CDU und SPD immer wieder, dass sie mit dieser Aufgabe »zu tun« haben. Intern und inoffiziell spricht man gar von einem »Dauerproblem.« Völlig realitätsfern scheint ihnen zu sein, dieses »Dauerproblem« dadurch zu lösen, in den Ländern, welche die Menschen massenweise verlassen, vernünftige Lebensbedingungen zu schaffen[22]. Dies würde allerdings nicht dem westlichen, gleich imperialistischen Weltbild entsprechen, dessen noch nicht offiziell verkündetem Ziel es ist, die kapitalistische Weltrevolution,besonders nach dem Zusammenbruch des Ostblockes, voranzutreiben. Dies zeigt sich bereits darin, dass Hilfsorganisationen[23] bereits seit 2013 bei der EU um Geld für syrische Flüchtlinge[24] in Jordanien betteln. (Jordanien hatte 2015 5,9 Mill. Einwohner und 1,9 Mill. Flüchtlinge) Ganz unverhohlen spiegelt sich das in der amerikanischen Rüstungs- und Weltpolitik wieder, welche auf einem klaren Schwarz-Weiß-Denken beruht, wer nicht für uns arbeitet, ist gegen uns. Solch ein Staat wird kurzerhand von Amerika zum Schurkenstaat oder zur Terrorregion erklärt. Die Lösung heißt für die USA häufig nicht Diplomatie, sondern Krieg. So leiden viele ehemalig besetzte Staaten an deren Säuberungsaktionen. In Südostasien hat Amerika sein Ziel bereits erreicht: Transpazifische Partnerschaft (TPP), ein Handelsabkommen, welches fast ausschließlich Vereinigten Staaten von Amerika Vorteile bringt und die ostasiatischen Staaten in absehbarer Zeit, circa zehn Jahren, in die Überschuldung gegenüber den USA treibt.

Dieser Politik wegen haben es die Menschen satt, in einem Staat, zerfressen vom Krieg, mit ausgelaugter Wirtschaft zu leben. Sie werden Flüchtling. Sie suchen sich ein Zielland, welches ihnen die Möglichkeit einer menschenwürdigen und wirtschaftlichen Existenz bietet. Europa ist diese Hoffnung. Europa ist mehr. Wir können die Probleme noch mit Diplomatie lösen, ohne uns dabei wirtschaftlich zu ruinieren, fußt doch die europäische, nicht wie die amerikanische Wirtschaft zur Überlast, auf Rüstungsgewinne.

»je individualistischer eine Gesellschaft, desto raumgreifender werden offenbar auch die Egoisten. Und je ungleicher eine Gesellschaft, desto verheerender enden die Kollisionen.«

(Henning Sußebach, Journalist)

Von der Willkommenskultur zur deutschen Leitkultur

Dabei hilft es nicht eine Kampagne zur Willkommenskultur auszurufen oder gar eine deutsche Leitkultur zu verordnen, welche der Einwanderungswillige noch unterzeichnen muss, wie beispielsweise der FOCUS im Namen der Bundesregierung fordert. Haben sich die Redakteure einmal gefragt, wie sich ein Syrier dabei fühlt, wenn er sich die Meinung »… Existenzrecht Israels als Teil der deutschen Staatsräson«[25] zu eigen machen soll. Also einen Staat bedingungslos anerkennen soll, mit welchem er seit 1948 beinah dauerhaft im Krieg steht.[26] Noch beschämender fühlt er sich, wenn er als abgeschobener Flüchtling in seine Heimatregion zurückkehrt. Hier wird er von seinen eigenen Leuten, eine Form der schlimmsten Demütigungen für einen Menschen, als gescheitert abgestempelt.

Um uns dieses Gefühl zu verdeutlichen, nehmen wir eine Situation aus unserer Umgebung. Stellen wir uns vor, ein jahrelanges Traditionsgeschäft schließt seine Pforten. Uns kommt es selten in den Sinn, dass der Inhaber in den wohl verdienten Ruhestand treten möchte. Stattdessen sprechen wir ihn häufig mit den Worten an: »Es geht wohl nicht?« Oder noch dreister: »Wann senken Sie ihre Ware? Sie wollen das doch nicht alles wegschmeißen?«[27]

Zurück zur Willkommenskultur. Sie muss für den einzelnen Bürger fühlbar gemacht werden. Eine TV-Orgie, wie im August 2015 durch das öffentlich rechtliche Fernsehen veranstaltet, mit Nationalstolz im Gewand des Humanismus, um aller Welt mitzuteilen: Wir Deutschen von heute sind ganz anders. Wir sind weltoffen und tolerant gegenüber Vertriebenen und Verfolgten, wobei wir uns mit den Flüchtlingen selbst zu adeln versuchen, wirkt deplatziert. Wer ehrlich hilft, hilft auch ohne Medienpräsenz. Und dass sich damit national denkende Menschen, ob Pegida-Anhänger oder nicht überzeugen lassen, bleibt zu bezweifeln. Dieser Mensch sieht nur einströmende Fremde, welche ihm nach seinem Arbeitsplatz trachten. Und genau diese Bürger fühlen sich bestätigt durch folgenden Journalismus: »1. Flüchtlinge nehmen uns unsere Jobs weg. Falsch! Der Arbeitsmarkt in Deutschland brummt. Zur Jahresmitte waren fast 43 Millionen Menschen erwerbstätig, 170 000 mehr als ein Jahr zuvor. Rekord! Gleichzeitig waren bei den Arbeitsagenturen 589 000 Stellen als offen gemeldet, 87 000 mehr als vor einem Jahr…«[28] Bild ergreift nicht etwa Partei für die Flüchtlinge, sondern nimmt Vorurteile und reichert sie mit vermeintlichen Fakten an, dass der Leser klar das Falsch als Richtig erkennt. Er schlussfolgert: Wenn der Arbeitsmarkt nicht brummt, werden diese Arbeitskräfte nicht eingestellt, sondern entlassen.

Das es auch im Journalismus anders geht, zeigt die Reportage Die heile Welt des Jose Heeg.[29] Nehmen wir Henning Sußebach als Beispiel für echten investigativen Journalismus aus dem Pulk der Reporter, welche diesem Berufsstand noch mit Ehre anreichern. Besser als in dieser Reportage über Ausländer kann man Toleranz und Vertrauen als Mittel gegen Selbstgerechtigkeit kaum verdeutlichen. Und dass wir kaum tolerant sind, zeigt sich spätestens beim Mindestlohn. Denn Toleranz hat immer etwas mit Gönnen gemein. Seit wir die geiz ist geil Mentalität gänzlich verinnerlicht haben, verbreitet sich die landläufige Meinung: Das Produkt, was ich verkaufe, ist zu billig, aber das, welches Du verkaufst, kommt dem Mondpreis nah, wie ein Flächenbrand. Jeder möchte 8,50 Euro (brutto) in der Stunde haben. Das bedeutet, ich klage sie nicht nur für mich ein, sondern ich gönne es auch meinem Nachbarn, meinem Gegenüber, dem anderen Mitmenschen. Es ist leicht, mit der gegenseitigen Geringschätzung zu brechen, doch sollten wir bedenken, dass »je individualistischer eine Gesellschaft, desto raumgreifender werden offenbar auch die Egoisten. Und je ungleicher eine Gesellschaft, desto verheerender enden die Kollisionen.«[30]

Frau Merkel und ihre SPD, die CDU

Nun mag man zur Politik von Frau Merkel stehen wie jedem beliebt, sofern man weder beschönigt noch verschlechtert. Und vor allem helfen keine populistischen (hier ist das Wort angebracht) Artikel wie »Das Zerwürfnis« (Spiegel Nr. 12 vom 19. März 2016) zum Thema Wahlerfolg der AfD. Darin wird Frau Merkel freigesprochen, elitär zu sein. Erinnern wir uns nur daran, mit welchem Engagement sie ihren parteilichen Ziehvater Helmut Kohl losgeworden ist. Genauer betrachtet, ist von der alten Parteiriege heute nur noch Herr Schäuble geblieben. Weiterhin wird behauptet: Frau »Merkel hat die CDU soweit nach links gerückt«, deshalb flüchten so viele Wähler ins Lager der AfD. Die Merkel-Regierung vereint alles, nur das linke Gedankengut, was die CDU bis Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts noch hatte, radierte Frau Merkel vollkommen aus. Auch mithilfe der veränderten politischen Situation auf der Weltkugel.


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»Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch verlängerte Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere Leistungsbereitschaft möglich.«

Prof. Dr. Bernd Lucke (AfD – Punkt 3: Hamburger Appell, Anmerkung: PDF seit 15. März 2016 gelöscht, siehe unter web.archive.org)


Was hat sie während ihrer Regierungszeiten geschafft? Was hat sie für die in Deutschland lebenden (auch Migranten etc.) Menschen getan? Schauen wir uns nur ein paar Themen an.

Erstens: Die Arbeitslosen halbiert. Statistisch gesehen, ja. Den Grundstein allerdings hat die vorangegangene Regierungskoalition aus SPD und Grünen gelegt. Die SPD wird dafür gesteinigt, wobei allein der CDU Regierung unter Kanzlerin Frau Merkel heute den einzigen positiven Effekt der Hartz IV Gesetze für sich beansprucht. Hierzu sei bemerkt, dass die CDU dieses Gesetz damals hätte kippen können, denn Rot-Grün hatte bereits am 7. April 1999 keine Mehrheit mehr im Bundesrat.[31] Der Entwurf zu Hartz IV stammt von der Bertelsmann Stiftung, in dessen Vorstand Liz Mohn, eine der einflussreichsten und reichsten Medienfrauen Deutschlands, die wirtschaftliche Richtungsfragen beeinflusst.[32]

»Nur wer arbeitet, soll auch essen«

Franz Müntefering (SPD)

»Deutschland geht es gut«

Dr. Angela Menkel (CDU)

»sozial ist, was Arbeit schafft.«

Franz-Josef Jung (CDU), taz: »Slogan aus Nazizeit« (gelöscht am 13. Jan 2017, siehe web.archive.org)

Zweitens: Frau Merkel hat den Mindestlohn eingeführt, obgleich sie ihn gar nicht wollte.[33] Dem Koalitionspartner zuliebe? Den Mindestlohn hätte die SPD allerdings während ihrer Regierungszeit mit der Mehrheit im Bundestag bis 1999 locker einführen können. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings nur die Grünen und Die Linke dafür. Auch hier wurde und wird dem Bürger etwas Positives verkauft. Dieser Lohn schützt allein die Rentenkasse. Hier gilt, um im Alter auf Grundsicherung (mind. 773 Euro monatlich) zu kommen, muss der Arbeitnehmer wenigstens 12,17 Euro im Durchschnitt pro Stunde (1947 Euro monatlich brutto), 40 Jahre lang, ohne Fehlzeiten verdient haben.[34] Das bedeutet für diesen arbeitenden Menschen, dass er nicht nur heute darben darf, sondern während seiner Rente noch mehr darben muss. Hieraus können wir unschwer ermessen, wo sich der Mindestlohn einpegeln muss. (Anmerkung: Ein Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde bringt den Arbeitgeber nicht um. Was ihn nervt, sind die Nebenkosten, die aus den Nebentätigkeiten – Verwaltung der Arbeitnehmer – entstehen. Genau diese Nebenkosten sind beinah allesamt nicht gewinn- oder umsatzabhängig, sondern müssen pauschal entrichtet werden. Das macht vor allem den Kleinst-, Klein- und einigen Mittelstandsunternehmen[35] zu schaffen. Der staatliche Verwaltungsapparat kontrolliert teilweise Zahlungen, welche er zuvor selbst oder eine andere Behörde eingezogen hat.) Gerade im Sektor Mindestlohn und Niedriglohn hat es Frau Merkel und die CDU geschafft, was bereits 2010[36] abzusehen war und 2013 mit dem Vierten Armuts- und Reichtumsbericht[37] bewiesen wurde, aus dem einstigen Hochlohnland Deutschland, ein Land mit dem größten Niedriglohnsektor in Europa[38] zu schaffen. Aus dem Vierten Armuts- und Reichtumsbericht geht eindeutig hervor, dass wir heute mehr als 30 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung[39] nichts weiter anbieten können als Grundsicherung.[40] Frau Katja Mast (SPD) fast diese Entwicklung mit den Worten: »Wer Vollzeit arbeitet, kann jetzt ohne Sozialleistungen von seiner Arbeit leben«[41] zusammen. Und Frau Andrea Nahles (SPD) stellt nüchtern fest: »Armut und Armutsbekämpfung ist ein Thema, das uns alle umtreibt und keinen von uns unberührt lässt… [wir wollen deshalb] den Ursachen und Wirkungen von Armut noch besser auf die Spur kommen.«[42] Genau aus diesem Ansatz plant Frau Nahles bereits eine neue Hartz-IV-Reform[43] und möchte vorab schon einmal Alleinerziehenden ihre Leistungen[44] kürzen. Hier rollt eine (Renten)Armutswelle auf uns zu, von dessen Ausmaß wir uns heute noch keine Vorstellung bilden können.

Drittens: Steuern, kaum etwas fürchten wir in Deutschland mehr. Wenn es darum geht, Steuern zu senken, zu sparen, sind wir dabei. Gleichsam kennen wir uns aber bei diesem Thema so schlecht aus. Deshalb hören wir so gern Wahlversprechen[45]: »Mit der CDU wird es definitiv keine Mehrbelastung der Bürger geben« (Johann Wadephul, CDU, 2005), »Es wird keinen Abbau von Sozialleistungen geben« (Christoph Böhr, CDU, 2005), »Wir brauchen nicht über Kürzungen zu reden« (Volker Kauder, CDU, 2005). Herausgekommen ist ein Jahr später die größte Steuererhöhung[46] in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Mehrwertsteuer stieg auf 19 Prozent. Zur Fairness muss man bemerken, dass aus den Unterlagen für den Fall eines Wahlsieges 2005 eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf 18 Prozent bereits vorgesehen war (Einige Parteimitglieder haben sicher das eigene Wahlprogramm nicht gelesen). Paradox erscheint hier, dass die SPD in Koalition mit der CDU sogar noch ein Prozent mehr zugestand, obgleich sie sich vor der Wahl gegen eine Erhöhung aussprach. Dieses Thema verfolgt nicht nur Herr Kauder (CDU) weiter: »Es gibt überhaupt keinen Grund, eigene Positionen zu räumen. Grundlage für alle Gespräche ist das Regierungsprogramm von CDU und CSU und nichts anderes. Dort sind Steuererhöhungen aus gutem Grund ausgeschlossen. Wir können mit Ruhe und Gelassenheit in die Gespräche gehen.«[47] Für diese Versprechen wählen dann 35 Prozent der Bevölkerung Deutschlands die CDU. Steuersenkungen verbinden wir häufig mit der Lohnsteuer, nur dies ist eine Steuer, welche den wenigsten etwas bringt. Bleiben wir bei unserem Niedriglohn: Wer 1900 Euro verdient, zahlt in Lohnsteuerklasse I 175 Euro Steuern, in Klasse III 4,50 Euro. Wer 6200 Euro (Beitragsbemessungsgrenze[48]) erhält, zahlt 1600 Euro (I) bzw. 1024 Euro (III). Wird jetzt die Steuer um 5 Prozent gesenkt, hat der Geringverdiener 8,75 Euro mehr in der Tasche, der Spitzenverdiener aber über 80 Euro. Bei der Mehrwertsteuer allerdings spart oder bezahlt jeder immer 19 oder 7 Prozent von dem Produkt, welches er konsumiert. Da dürfen wir uns glücklich schätzen, dass es keine Steuererhöhung wegen Flüchtlingen gibt. »Ja, definitiv«, betont Bundeskanzlerin Frau Merkel[49]. Was für ein Zynismus.

Andererseits, und das sollte jedem Bundesbürger klar sein, Steuern müssen gezahlt werden, und zwar jeder ohne Ausnahme. Ohne sie würde unsere öffentliche Infrastruktur (Verkehr, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser etc.), alles, was jeder von uns benutzt, völlig zusammenbrechen.

Steuern müssen ohne Unterstellungen eingefordert werden. Nicht jeder Gastronom, welcher drei Pizzakartons zu viel in seinem Lager hat, ist ein notorischer Steuerbetrüger. Vor allem, weil dies einem passiert, wird das pauschal für alle geltend gemacht. So lautet ein Urteil des Oberlandesgerichtes Karlsruhe[50]: »Ein Finanzbeamter, der im Einspruchsverfahren Steuern bewusst falsch festsetzt, begeht keine Rechtsbeugung.« Ebenfalls dürfen Steuern auch keine Verhandlungssache sein, was u. a. die CDU-Spendenaffäre aus dem Jahr 2001 verdeutlicht, wobei sich der damalige Ministerpräsident Roland Koch (CDU) auf die Seite seiner Parteifreunde (die eigentlichen Steuerstraftäter) stellte und diese Spendenaffäre zur Steuerfahnder-Affäre[51] abwertete.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Einerseits verdeutlicht sie, wie sehr Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel einen Thatcherismus verfolgt, andererseits sollten wir uns fragen, wie wollen wir in Zukunft leben? Was können wir, jeder Einzelne tun, um Toleranz und Vertrauen zu schaffen. Wollen wir einen demokratischen Föderalismus? Recht machen, kann man es nicht jedem. Oder wollen wir die Politik der Zukunft den politisch Rechts orientierten Parteien überlassen?


Nehmen wir aus jeder demokratisch orientierten Partei die fähigsten Leute. Dann wird es eine Politik, die dem Menschen gilt und nützt.

Nehmen wir aus jeder Partei die fähigsten Leute und diese gibt es in der CDU, der SPD, den Grünen, der FDP und den Linken, diese setzten sich vernünftig zusammen. Sie einigen sich auf eine Politik. Diese fähigen Leute bezahlen wir ordentlich, sodass sie auf keine Stütze in Form von Dividenden oder Boni aus der Wirtschaft angewiesen sind. Dann wird es eine Politik, die dem Menschen gilt und nützt.

Die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates sollte auf die Gestaltung des Rechtsrahmens fokussiert sein, nicht auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses selbst.

Stärkere Binnenwirtschaftsorientierung, nur diese kann der Staat oder die EU in Krisenzeiten besser beherrschen.

Ein soziales Rentensystem, in welches jeder, auch Pensionsberechtigte, Beamte, Politiker und Verdiener über der Beitragsbemessungsgrenze usw., einzahlt und auch Rente daraus bezieht. Dazu eine Mindestrente nach oben gedeckelt (nach dem Modell der Schweiz).

Ein Gesundheitssystem, wo ebenfalls jeder einzahlt.

Wir sollten jeden verfügbaren Euro in die Zukunft unserer Kinder, in ein Bildungssystem stecken, damit jeder, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern, die Chance hat, sich Wissen anzueignen, und ein eigenverantwortliches Leben aufbauen kann.

Mit Bildung und der Krankenversorgung dürfen keine Gewinne gemacht werden.

Wenn wir uns dann noch vom Unterwürfigkeitsgebaren den USA gegenüber verabschieden und mit ihnen auf Augenhöhe verhandeln, dann schaffen wir den Krieg ab und können nach Herzenslust Geschäfte mit Russland, China, Kanada, den USA, Australien, allen Ländern, die dies wollen, machen. Dabei hat jeder mal einen Nachteil und jeder mal einen Vorteil, wie das in einer Demokratie sein sollte.

veröffentlicht 2016, Verlinkungen nachgeprüft 2022


Anhang

[21] Joze Pirjevec, Tito, Kunstmann Antje GmbH, Mai 2016

[22] FAZ: »Jordaniens menschlicher Umgang mit Flüchtlingen«, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/jordaniens-menschlicher-umgang-mit-fluechtlingen-13734213.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 (5. August 2015)

[23] Flüchtlingshilfe Rosenplatz: »EU lässt das UN-Welternährungsprogramm in Syrien im Stich«, http://www.fluechtlingshilfe-rosenplatz.de/?p=2165 (18. September 2015), UNRWA: http://www.unrwa.org/ (23. Mai 2016)

[24] Deutschlandfunk: »Syrische Flüchtlinge in Jordanien – Unbeliebte Neuankömmlinge«, http://www.deutschlandfunk.de/syrische-fluechtlinge-in-jordanien-unbeliebte.724.de.html?dram:article_id=271045  (4. Dezember 2013)

[25] FOCUS: »Integrationspflicht für Migranten«, http://www.focus.de/politik/deutschland/integrationspflicht-fuer-migranten-kloeckner-legt-plan-fuer-deutsche-hausordnung-vor_id_4984848.html (1. Oktober 2015)

[26] Siehe: Karin Leukefeld, Flächenbrand Syrien, Irak, PapyRossa Verlag, Köln 2015

[27] Vgl. Sußebach, »Die große Welt gleich nebenan«, Ch. Links Verlag, 2016, S. 110 ff

[28] Bild entlarvt: »Sieben Vorurteile gegenüber Flüchtlingen«, http://www.bild.de/politik/inland/fluechtling/bild-entlarvt-7-vorurteile-ueber-fluechtlinge-42340012.bild.html (26. August 2015)

[29] Vgl. Sußebach, »Die große Welt gleich nebenan«, Ch. Links Verlag, 2016, S. 13 ff

[30] Vgl. Sußebach, »Die große Welt gleich nebenan«, Ch. Links Verlag, 2016, S. 49

[31] Eine Mehrheit im Bundesrat hatte Schwarz-Gelb zwar erst ab dem 16. Mai 2002, doch stark zu bezweifeln ist, dass sich Die Linke ihrer Stimmen enthalten hätte. http://www.wahlen-in-deutschland.de/bBundesrat.htm

[32] NachDenkSeiten: »Das Triumfeminat – Angela Merkel, Friede Springer, Liz Mohn« http://www.nachdenkseiten.de/?p=8146 (28. Januar 2011), Tagesspiegel, »Macht ohne Mandat«, http://www.tagesspiegel.de/zeitung/macht-ohne-mandat/755580.html (25. September 2006)

[33] Handelsblatt: »Merkel bekräftigt NEIN zum gesetzlichen Mindestlohn«, http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/tagung-in-muenster-merkel-bekraeftigt-nein-zum-gesetzlichen-mindestlohn/8253832.html  (25. Mai 2013 [Abo-Zugang erforderlich])

[34] Bei diesem Beispiel wurde davon ausgegangen, dass sich der durchschnittliche Brutto-Jahreslohn (2015: 32640 Euro = 1 Entgeltpunkt) in den kommenden 20 Jahren ebenso entwickelt wie in den vergangen 20 Jahren, die Kaufkraft und Lebensumstände gleich bleiben. Ebenso wurde davon ausgegangen, dass kein anzurechnendes Vermögen vorhanden ist, welches in Abzug gebracht werden muss, z. B. mehr als 2600 Euro Vermögen (SGB XII § 90), Kinder verdienen mehr als 100000 Euro im Jahr, Riester- oder Rürup-Renten etc. Wer demnach zu Rentenbeginn weniger als 29 Entgeltpunkte vorweisen kann, bekommt immer Grundsicherung.

[35] Kleinst-, Klein- und Mittelstandsunternehmen sind 99 % aller Unternehmen in Deutschland. Sie tragen zu 80 % die Last unserer Volkswirtschaft und somit den Löwenanteil des Bruttoinlandsproduktes. s. u. a. Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Kleine-Unternehmen-Mittlere-Unternehmen/aktuell-beschaeftigte.html

[36] Hans-Böckler-Stiftung (Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes): http://www.boeckler.de/39304_39313.htm (6/2012)

[37] Vierte Armuts- und Reichtumsbericht: http://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Bericht/Archiv/Der-vierte-Bericht/vierter-bericht.html

[38] EU-Info Deutschland: »Deutschland hat schwächste Reallohn-Entwicklung in der EU«, http://www.eu-info.de/deutsche-europapolitik/umfragen-statistiken-deutschland/reallohn/; gelöscht am 25.August 2016, siehe web.archive.org (24. Mai 2016), Berliner Zeitung: »Lohnentwicklung in Deutschland«, http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/lohnentwicklung-deutschland-die-realloehne-sinken-besonders-im-westen-253508 (14. September 2014 [Abo-Zugang erforderlich]), Spiegel: Studie Reallöhne, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/studie-realloehne-sind-seit-1990-um-bis-zu-50-prozent-gesunken-a-670474.html (6. Januar 2010)

[39] ca. 44 Mill. Menschen sind erwerbsfähig (März 2016) http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1376/umfrage/anzahl-der-erwerbstaetigen-mit-wohnort-in-deutschland/, davon haben 3,8 Mill. Menschen keine Arbeit, 10,8 Mill. im Niedriglohnsektor (weniger als 1900 Euro brutto im Monat) http://de.statista.com/statistik/daten/studie/161881/umfrage/niedriglohnbeschaeftigte-in-deutschland-seit-1995/, 1 Mill. Menschen sind verdeckt arbeitslos. Sie erhalten entweder eine Fremdförderung, befinden sich in Umschulungen, sind krank oder stehen dem Arbeitsmarkt aus anderen Gründen kurzzeitig nicht zur Verfügung. Es gilt, Arbeit hat, wer mehr als 3 Stunden am Tag einer bezahlten Tätigkeit nachkommt.

[40] Deutsche Wirtschaftsnachrichten: »Die Schande von Europa«, http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/03/29/die-schande-von-europa-deutschland-beutet-seine-arbeiter-aus/ (29. März 2014)

[41] siehe http://www.katja-mast.de/index.php?nr=88103&menu=1 (Beitrag am 22. Januar 2017 laut web.archive.org gelöscht, befindet sich in meinem Archiv)

[42] siehe Download unter https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de – Andrea Nahles zum Armuts- und Reichtumsbericht [wmv, 23MB]

[43] Focus: »Wie Andrea Nahles Arbeitslose um ihre Rechte bringt«, http://www.focus.de/finanzen/recht/hartz-iv-reform-in-der-kritik-wie-andrea-nahles-arbeitslose-um-ihre-rechte-bringt_id_5539841.html (17. Mai 2016)

[44] RT Deutsch: »Erneuter SPD-Angriff auf Geringverdiener – Nahles will alleinerziehenden Müttern Hartz IV kürzen«, https://deutsch.rt.com/inland/38061-spd-angriff-auf-geringverdiener-/ (28. April 2016) Beitrag am 22.September 2020 gelöscht, siehe web.archive.org

[45] Spiegel: »Wahlkampf mit Weichzeichner« http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40788885.html (20. Juni 2005)

[46] Spiegel: » Bundestag beschließt größte Steuererhöhung seit 1949«, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/koalition-bundestag-beschliesst-groesste-steuererhoehung-seit-1949-a-417118.html (19. Mai 2006)

[47] WirtschaftsWoche: »Jetzt doch Steuererhöhungen mit der Union?« http://www.wiwo.de/politik/deutschland/gebrochene-wahlversprechen-jetzt-doch-steuererhoehungen-mit-der-union/8853542.html (26. September 2013)

[48] Sozialabgaben steigen nicht mehr, gleich wie viel man darüber verdient.

[49] Tagespiegel: Kein Flüchtlings-Soli und keine Steuererhöhungen http://www.tagesspiegel.de/politik/bundeskanzlerin-angela-merkel-kein-fluechtlings-soli-und-keine-steuererhoehungen/12436764.html (11. Oktober 2015)

[50] Urteil OLG Karlsruhe, 3. Strafsenat, 3 Ws 179/86 vom 21. Oktober 1986: http://www.juris.de/jportal/prev/KORE510078709 Anmerkung zu diesem Zitat: Bevor Sie dieses Zitat im Internet recherchieren und Auskünfte dazu erwarten, sei darauf hingewiesen, was meine Recherche ergab. Bei allen großen Suchmaschinen tummelten sich unter den ersten 100 Suchergebnissen lediglich zwei seriöse und eine unklare Internetseite. Dieses Zitat wird oft genutzt, um nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Denn wie jedes muss auch dieses Zitat immer im Kontext beurteilt werden. Näheres können Sie von einem Rechtsanwalt, er hat meist Zugang zum juris Rechtsportal, ihrer Wahl erfahren oder direkt beim Oberlandesgericht in Karlsruhe http://www.olg-karlsruhe.de/pb/,Lde/Startseite.

51] Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/rhein-main/fahnder-scheitert-gericht-11250780.html, Partei für soziale Gleichheit: http://www.wsws.org/de/articles/2010/02/steu-f09.html, Rudolf Schmenger, einer der vier ehemaligen Steuerfahnder): http://rudolf-schmenger.de/ueber-mich.html

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